Staffel 1: Der frühe Anruf
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Folge 7: Die Einvernahme als Kunst
Teil 1: Geschichte in dieser Folge:
Wenn die Wahrheit auf dem Spiel steht, sind Geschrei und Druck die falschen Werkzeuge. In Vorbereitung auf die entscheidende Einvernahme im Fall “der frühe Anruf” tauchen wir in dieser Spezialfolge tief in die Psychologie des Verhörs ein. Eine Koryphäe der Vernehmungstechnik erklärt, warum eine professionelle Befragung nicht dem Schlag eines Hammers gleicht, sondern der Kunst eines Bildhauers, der eine Lüge Schicht für Schicht abträgt, um die Wahrheit freizulegen. Eine Meisterklasse in der Kunst des Fragens, bevor es für Jimmy Richter ernst wird.
Die theoretischen Grundlagen der Vernehmungstechnik basieren auf einem spannenden Aufsatz von Haas und Ill aus dem Jahre 2013, “Gesprächsführungstechniken in der Einvernahme”.
Teil 2: Die ideale Einvernahme von Jimmy Richter – Eine Analyse der psychologischen Taktik
Max skizziert in Teil 2 einen Idealfall, in dem der Beschuldigte Jimmy Richter kooperiert und die Ermittler vernehmungspsychologisch geschickt vorgehen. Der Ablauf folgt einer klaren Struktur, die auf den von Monika Berger aus Teil 1 erklärten Prinzipien basiert: dem Trichtermodell und der 3-Stufen-Strategie.
Phase 1: Die Vorbereitung und der Einstieg
Bevor der eigentliche Kern der Befragung beginnt, finden entscheidende vorbereitende Schritte statt.
- Schaffung einer Gesprächsbasis (Druckabbau):
- Fehlervermeidung: Der einvernehmende Polizeibeamte vermeidet es, die Rechtsbelehrung mechanisch “herunterzuleiern”.
- Idealer Ablauf: Er startet einen Dialog, stellt sich vor und erklärt den Grund der Vorladung und den Ablauf. Ein Beispiel wäre: “Guten Tag, Herr Richter. Mein Name ist… Das hier ist Herr Kramer, er vertritt Herrn Gerber. Wissen Sie, warum Sie heute hier sind?… Ich erkläre Ihnen kurz, warum sie hier sind, wie das abläuft und was Ihre Rechte sind…”
- Angewandter Grundsatz: Dies baut sofort Druck ab und etabliert eine neutrale, professionelle Gesprächsatmosphäre statt einer konfrontativen Verhörsituation. Es signalisiert dem Beschuldigten, dass er als Mensch und nicht nur als Objekt der Ermittlung wahrgenommen wird.
- Etablierung der “Baseline” (Kalibrierung):
- Ablauf: Nach der Belehrung stellt der Beamte einfache, unstrittige Fragen zur Person (Name, Adresse, Beruf).
- Angewandter Grundsatz: Dies dient der Kalibrierung des “Lügendetektors”. Die Ermittler beobachten Jimmy Richters nonverbales Verhalten (Körpersprache, Blickkontakt, Nervosität) in einer stressfreien Situation. Verändert sich dieses Verhalten später bei kritischen Fragen (z.B., er fängt an zu zappeln, weicht dem Blick aus), kann das ein Hinweis auf Unbehagen oder eine Lüge sein.
Phase 2: Die Phase des freien Berichts (oberste, weite Teil des Trichters)
Dies ist der Kern der Informationsgewinnung.
- Die offene, thematisch fokussierte Initialfrage:
- Fehlervermeidung: Der Beamte konfrontiert Jimmy nicht direkt mit dem Vorwurf (“Lukas Gerber sagt, Sie haben das Opfer umgestossen!”). Das würde Jimmy sofort in eine Verteidigungshaltung drängen.
- Idealer Ablauf: Er stellt eine sehr offene Frage, die nur den Rahmen (Ort und Zeit) vorgibt. Max’ Beispiel ist perfekt: “Herr Richter, wir untersuchen einen Vorfall, der sich in und vor der Bar ‘Goldener Anker’ ereignet hat. Ich möchte Sie bitten, mir alles zu erzählen, was Sie an jenem Abend, in und vor dieser Bar, erlebt, gesehen und gehört haben. Fangen Sie einfach an, wo es für Sie beginnt.”
- Angewandter Grundsatz: Dies ist die Anwendung des Trichtermodells. Der Ermittler behandelt Jimmys Gedächtnis wie einen Tatort (“Kopf als Tatort”) und sichert zunächst die Spuren, ohne sie zu verändern. Jimmy wird nicht in eine Richtung gelenkt und hat die Freiheit, selbst zu entscheiden, was er erzählt. Erwähnt er den Streit von sich aus, ist das ein starkes Realkennzeichen (ein Detail, das eine erlebte Geschichte wahrscheinlich macht).
- Aktives Zuhören und Aushalten von Pausen:
- Ablauf: Während Jimmy erzählt, unterbricht der Beamte nicht. Er signalisiert durch Nicken, “mhm” oder “aha”, dass er zuhört, lässt aber Jimmy den Erzählfluss bestimmen.
- Angewandter Grundsatz: Jede Unterbrechung wäre eine Kontamination der Erinnerung. Die Pausen sind wichtig, da sie den Erzähler oft dazu verleiten, die Stille mit weiteren Details zu füllen, die er vielleicht sonst verschwiegen hätte.
Phase 3: Die Präzisierung und Konfrontation (Der enger werdende Trichter & die 3-Stufen-Strategie)
Wenn Jimmys freier Bericht (wie im Beispiel angenommen) lückenhaft ist und er den Streit verschweigt, beginnt die taktische Phase.
- Stufe 1 der Strategie: Man konfrontiert die Person nur mit internen Widersprüchen in ihrer eigenen Aussage.
- Stufe 2 der Strategie: Fragen rund um das Beweismittel (ohne es zu nennen):
- Ablauf: Der Beamte konfrontiert Jimmy noch nicht mit Lukas’ Aussage. Stattdessen zieht er “Kreise um den heissen Brei”. Er stellt Fragen, die Jimmy zwingen, sich zu positionieren:
- “Haben Sie sich mit jemandem unterhalten?”
- “Kennen Sie zufällig einen Mann namens Stefan Brunner?”
- “Gab es zwischen Ihnen und ihm eine… Meinungsverschiedenheit?”
- Angewandter Grundsatz: Dies ist eine meisterhafte Taktik. Jimmy wird dazu gebracht, sein “Lügengebäude” Stein für Stein selbst zu errichten. Jedes “Nein” macht es ihm später unmöglich, seine Geschichte zu ändern, ohne als Lügner dazustehen. Er legt quasi selbst die Schienen für den Zug, der ihn überrollen wird.
- Ablauf: Der Beamte konfrontiert Jimmy noch nicht mit Lukas’ Aussage. Stattdessen zieht er “Kreise um den heissen Brei”. Er stellt Fragen, die Jimmy zwingen, sich zu positionieren:
- Stufe 3 der Strategie: Die direkte, sachliche Konfrontation:
- Ablauf: Erst nachdem Jimmy sich vollständig auf eine falsche Version festgelegt hat, erfolgt die Konfrontation. Diese geschieht aber nicht aggressiv, sondern kühl und sachlich: “Herr Richter, Ihre Darstellung… deckt sich nicht mit unseren Erkenntnissen. Wir haben eine Zeugenaussage. Dieser Zeuge hat beobachtet, wie Sie… einen heftigen Stoss versetzt haben…”
- Angewandter Grundsatz: Der psychologische Druck entsteht hier nicht durch die Lautstärke des Beamten, sondern durch die unwiderlegbare Wucht der Fakten. Die Konfrontation mit einer Zeugenaussage ist weitaus wirkungsvoller, nachdem der Beschuldigte die Existenz eines solchen Vorfalls mehrfach explizit geleugnet hat.
Phase 4: Nach dem Geständnis – Der neue, kleine Trichter
Wenn Jimmy den Stoss zugibt, beginnt eine neue Phase der Detailklärung.
- Validierung und Fortführung des Gesprächs:
- Ablauf: Der Beamte reagiert nicht triumphierend, sondern anerkennend: “Danke für Ihre Offenheit, Herr Richter… Erzählen Sie mir jetzt bitte nochmal von Anfang an, wie es wirklich war.”
- Angewandter Grundsatz: Dies erhält die Kooperationsbereitschaft und öffnet die Tür für die Klärung von Details, die für das Verfahren entscheidend sind.
- Abfrage von Täterwissen:
- Ablauf: Der Beamte fragt nun nach Details, die nur der Täter (oder ein genauer Augenzeuge wie Lukas) wissen kann. Die Schlüsselfrage von Max: “Was genau haben Sie getan, in der Sekunde, nachdem Herr Brunner auf dem Boden aufgeschlagen ist? Wohin haben Sie geblickt? Haben Sie jemanden gesehen?”
- Angewandter Grundsatz: Dies dient der Verifizierung der Geschichte. Wenn Jimmy bestätigt, dass er panisch jemanden angesehen hat, stützt das die Glaubhaftigkeit von Lukas’ Aussage über den Blickkontakt enorm.
Phase 5: Die Ergänzungsfragen von Anwalt Max Kramer (Die Kunst des “Minenfelds”)
Max’ Rolle ist die des stillen Beobachters, aber am Ende hat er die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Seine Fragen sind nicht zufällig, sondern hochstrategisch und zielen darauf ab, die Position seines Mandanten Lukas zu stärken.
- Frage 1: “Hatten Sie das Gefühl, beobachtet zu werden?”
- Ziel: Die Anwesenheit von Lukas aus Jimmys Perspektive plausibel zu machen. Es geht vorerst mal nicht darum, dass Jimmy Lukas identifiziert, sondern nur darum, dass er das Gefühl hatte, dass “jemand” da war.
- Frage 2: “Wir sprechen von einem Stoss mit der flachen Hand, korrekt?”
- Ziel: Jimmys Aussage mit Lukas’ Schilderung UND dem medizinischen Gutachten in Einklang zu bringen. Dies entlastet Lukas vom Verdacht eines heftigeren Angriffs (z.B. Faustschlag).
- Frage 3: “Sahen Sie noch eine andere Person, die ebenfalls den Tatort verliess?”
- Ziel: Das letzte Puzzleteil einzusetzen. Die Aussage des ursprünglichen Zeugen Holger Meier (der ZWEI Personen weglaufen sah) wird durch Jimmy bestätigt. Dies untermauert Lukas’ Geschichte, dass er ebenfalls vom Tatort geflohen ist, perfekt.
Fazit: Der ideale Ablauf ist ein psychologisches Schachspiel. Statt auf Druck und Einschüchterung setzt der Ermittler auf eine offene Gesprächsführung, strategisches Zurückhalten von Informationen und die Schaffung von kognitiver Dissonanz beim Beschuldigten. Max’ abschliessende Fragen zeigen, wie ein versierter Anwalt diese Situation nutzen kann, um mit subtilen, scheinbar harmlosen Fragen die Position des eigenen Mandanten entscheidend zu festigen.
- Schaffung einer Gesprächsbasis (Druckabbau):
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Folge 8: Mit einem Tropfen Honig fängt man mehr Fliegen als mit einem Fass Essig
Teil 1: Geschichte in dieser Folge:
Die quälende Frage seit der letzten Folge wird endlich beantwortet: Was geschah wirklich bei der Einvernahme von Jimmy Richter? Strafverteidiger Max Kramer war auf einen langen Kampf vorbereitet, doch die Realität übertrifft jede Theorie. Eine überraschend talentierte Polizistin bewies eindrucksvoll, dass man mit einem Tropfen Honig tatsächlich mehr Fliegen fängt als mit einem Fass Essig. Statt auf Konfrontation zu setzen, schuf sie eine einzigartige Atmosphäre, in der Max Kramers blosse Anwesenheit zum mitentscheidenden Faktor wurde. Ein Geständnis liegt in der Luft, das alles für seinen Mandanten Lukas Gerber ändern könnte. Doch selbst ein grosser Erfolg bringt neue Herausforderungen und zwingt Max zu einem letzten, cleveren Schachzug.
Teil 2: Rechtliche Fragen in dieser Folge:
1. Das abgekürzte Verfahren (Strafprozessordnung)
In diesem Block wird das prozessuale Instrument des abgekürzten Verfahrens detailliert erklärt. Es geht um die Voraussetzungen, den Ablauf, die Verhandlungsgegenstände und die Konsequenzen eines Scheiterns.
Die zentralen Rechtsfragen:
- Was ist ein abgekürztes Verfahren und was ist sein Zweck?
- Es ist ein Verfahren, das auf einen Vorschlag der Verteidigung hin stattfindet, um eine schnellere und für alle Beteiligten planbarere Lösung zu finden. Sein Hauptzweck ist die Prozessökonomie (Entlastung der Justiz) und die Schaffung von schneller Rechtssicherheit für den Beschuldigten.
- Welches sind die vier zwingenden Voraussetzungen für ein abgekürztes Verfahren?
- Antrag des Beschuldigten: Die Initiative muss immer von der Verteidigung ausgehen.
- Eingeständnis des Sachverhalts: Der Beschuldigte muss den Sachverhalt, der zur Anklage führt, im Wesentlichen eingestehen oder zumindest ein Geständnis in Aussicht stellen.
- Anerkennung der Zivilansprüche: Der Beschuldigte muss grundsätzlich für den verursachten Schaden geradestehen.
- Strafrahmen: Die zu erwartende Strafe darf eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren nicht übersteigen.
- Wie läuft das Verfahren in der Praxis ab und welche Rolle spielen Verteidigung, Staatsanwaltschaft und Gericht?
- Nach informellen Vorgesprächen (“Vortasten”) beginnen formelle Verhandlungen, bei denen für den Beschuldigten Anwaltszwang besteht (notwendige Verteidigung). Verteidigung und Staatsanwaltschaft entwerfen gemeinsam die Anklageschrift, die bereits die Tatvorwürfe, das Strafmass und alle weiteren Regelungen (Zivilansprüche, Kosten) enthält. Nach Zustimmung aller Parteien (inkl. Opfer) geht diese Anklageschrift ans Gericht. Der Richter prüft in einer kurzen Hauptverhandlung, ob alle Voraussetzungen erfüllt sind und ob der Beschuldigte aus freiem Willen zustimmt. Gibt der Richter sein Einverständnis, erhebt er die Anklageschrift zum rechtskräftigen Urteil.
- Über welche Aspekte wird in einem abgekürzten Verfahren verhandelt?
- Fakten (Sachverhalt): Das Verhandeln über die Fakten (“Ich hatte nur eine Banane, keine Waffe”) ist in der Schweiz unzulässig.
- Anklagepunkte: Das Verhandeln darüber, welche Anklagepunkte fallen gelassen oder anders gewichtet werden, ist eine rechtliche Gratwanderung, aber in der Praxis relevant.
- Strafe: Dies ist der häufigste und zentrale Verhandlungsgegenstand. Der Deal lautet im Kern: Geständnis und Kooperation gegen eine mildere, vorhersehbare Strafe.
- Was geschieht mit einem Geständnis, wenn das abgekürzte Verfahren scheitert, und welche Probleme können sich daraus ergeben?
- Schutzvorschrift: Das Gesetz (StPO) sieht vor, dass alle im Rahmen des gescheiterten Verfahrens gemachten Erklärungen (insb. das Geständnis) absolut unverwertbar sind.
- Praktisches Problem: Obwohl die Aussagen unverwertbar sind, haben Staatsanwalt und Richter davon Kenntnis. Dies wirft die Frage der Befangenheit auf. Ein Richter, der den Deal abgelehnt hat, gilt als “vorbefasst” und müsste im nachfolgenden ordentlichen Verfahren in den Ausstand treten.
2. Die Unterlassung der Nothilfe (Strafgesetzbuch)
Dieser Block befasst sich mit dem materiellen Straftatbestand, der Lukas Gerber zur Last gelegt wird, und der strategischen Entscheidung, diesen im Rahmen des Deals anzuerkennen.
Die zentralen Rechtsfragen:
- Wann macht man sich wegen Unterlassung der Nothilfe strafbar und was bedeutet der Begriff “Zumutbarkeit”?
- Man macht sich nach Art. 128 StGB strafbar, wenn man einer Person, die man verletzt hat oder die in Lebensgefahr schwebt, nicht hilft. Eine entscheidende Einschränkung ist jedoch, dass die Hilfeleistung “den Umständen nach zugemutet werden konnte”. Die Zumutbarkeit ist das Ergebnis einer Interessenabwägung zwischen der Gefahr für das Opfer und der Belastung oder Gefahr für den potentiellen Helfer.
- Warum war es für Lukas Gerber trotz seines Schockzustandes juristisch riskant, sich auf die Unzumutbarkeit der Hilfeleistung zu berufen?
- Sein panischer Schockzustand wäre zwar ein starkes Argument für die Unzumutbarkeit. Die Achillesferse dieser Argumentation ist jedoch, dass er kurz darauf in der Lage war, ein Auto sicher nach Hause zu fahren. Diese Handlung erfordert ein Mass an rationalem Handeln, das im Widerspruch zur behaupteten völligen Handlungsunfähigkeit durch Panik steht. Dieses Killer-Argument der Staatsanwaltschaft hätte eine Verurteilung sehr wahrscheinlich gemacht.
- Spielt das Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen, bei der Pflicht zur Nothilfe eine Rolle?
- Nein. Zwar hat jeder das Recht, sich nicht selbst beschuldigen zu müssen, aber die Gerichte werten die Pflicht, ein Menschenleben zu retten, als ungleich höheres Rechtsgut. Das Absetzen eines Notrufs mit seinem Handy wäre Lukas Gerber daher in jedem Fall zumutbar gewesen.
3. Das Geständnis und die Beweiswürdigung (Strafprozessordnung)
Dieser Themenblock beleuchtet die rechtliche Stellung und das Gewicht eines Geständnisses im Strafprozess, insbesondere am Beispiel von Jimmy Richter.
Die zentralen Rechtsfragen:
- Kann ein Geständnis einfach widerrufen werden und wie prüft das Gericht dessen Glaubwürdigkeit?
- Ein Geständnis kann theoretisch jederzeit widerrufen werden. Es ist jedoch nicht “in Stein gemeisselt”, sondern unterliegt der freien Beweiswürdigung des Gerichts (Art. 160 StPO). Das Gericht prüft die Glaubhaftigkeit des Geständnisses (und des Widerrufs), indem es dieses mit allen anderen verfügbaren Beweisen (Zeugenaussagen, Sachbeweise) abgleicht.
- Welcher Grundsatz gilt bei der Urteilsfindung und warum ist ein Widerruf von Jimmys Geständnis in diesem Fall praktisch aussichtslos?
- Es gilt der Grundsatz “in dubio pro reo” (im Zweifel für den Angeklagten). Ein Gericht darf nur verurteilen, wenn es “über jeden vernünftigen Zweifel hinaus” von der Schuld überzeugt ist. In Jimmys Fall passt sein detailliertes Geständnis exakt zu den Aussagen von Lukas Gerber und einem weiteren Zeugen. Diese erdrückende Beweislage beseitigt jeden “vernünftigen Zweifel”. Ein späterer Widerruf würde vom Gericht daher mit höchster Wahrscheinlichkeit als unglaubwürdiger Versuch gewertet, sich der Strafe zu entziehen.
- Was ist ein abgekürztes Verfahren und was ist sein Zweck?
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Folge 9: Der letzte Akt und das letzte warnende Wort
Geschichte in dieser Folge – Zusammenfassung:
Der Vorhang fällt. Nach Wochen des Bangens und juristischen Ringens kommt es zum Showdown. Hat Max Kramers Strategie Früchte getragen? Diese Folge liefert nicht nur die lang ersehnte Antwort, sondern enthüllt auch die scharfsinnige Taktik hinter den Kulissen. Erfahren Sie, wie Max Kramer die eine grosse Gefahr vom Tisch verhandelt, die Staatsanwältin sich aber das letzte, warnende Wort vorbehält – ein giftiger Pfeil, der als Damoklesschwert über dem Mandanten schweben bleibt. Ein packender Abschluss, der nicht nur “Der frühe Anruf” beendet, sondern bereits die Tür für einen neuen, gesellschaftlich hochbrisanten Fall in der nächsten Staffel aufstösst.
Geschichte in dieser Folge – Details:
- Erfolg des Deals und mildes Urteil für Lukas Gerber:
- Das abgekürzte Verfahren war ein voller Erfolg (“Volltreffer”). Lukas Gerber wurde wegen Unterlassung der Nothilfe verurteilt.
- Er erhielt eine milde bedingte Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je 80 Franken. Das bedeutet, er muss die Strafe nicht bezahlen, solange er straffrei bleibt, hat aber die Gerichtskosten zu tragen und erhält einen Strafregistereintrag. Er muss nicht ins Gefängnis.
- Erklärung des Tagessatz-Systems:
- Eine Geldstrafe nach Tagessätzen besteht aus zwei Teilen: der Anzahl der Tagessätze (spiegelt die Schwere der Tat wider) und der Höhe des einzelnen Tagessatzes (richtet sich nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters). Dies soll soziale Gerechtigkeit gewährleisten.
- Die sogenannte Ersatzfreiheitsstrafe ist die Konsequenz, wenn eine (unbedingte) Geldstrafe nicht bezahlt wird: Ein Tagessatz entspricht einem Tag Gefängnis.
- Einstellung des Drogenverfahrens als Kern des Deals:
- Der entscheidende Teil der Vereinbarung mit der Staatsanwaltschaft war die Einstellung des Verfahrens wegen Verstosses gegen das Betäubungsmittelgesetz.
- Max Kramer argumentierte erfolgreich, dass die Beweise (Chat auf dem Handy) unrechtmässig erlangt wurden (Zufallsfund ohne korrekte Belehrung). Die pragmatische Staatsanwältin zog es vor, eine sichere Verurteilung wegen Unterlassung der Nothilfe zu erzielen, anstatt ein riskantes Verfahren wegen des Drogendelikts zu führen.
- Allerdings schwebt ein “Damoklesschwert” über Lukas: Sollte sein Dealer (“der Gärtner”) gefasst werden und aussagen, könnte der Fall wieder aufgerollt werden.
- Das Schicksal des eigentlichen Täters, Jimmy Richter:
- Sein Fall wurde formal abgetrennt (Verfahrenstrennung). Er ist nun alleiniger Beschuldigter wegen schwerer Körperverletzung.
- Sein Geständnis gilt als “wasserdicht” und vollumfänglich verwertbar, da die Polizei ihn korrekt über seine Rechte belehrt hat. Ihm steht nun ein ernsthaftes Verfahren bevor.
- Ausblick auf die zweite Staffel:
- Der Fall “Der frühe Anruf” ist damit abgeschlossen. Die Folge endet mit der Ankündigung einer zweiten Staffel von “Akte Kramer”, die einen neuen, emotionalen und gesellschaftlich relevanten Fall behandeln wird.
- Erfolg des Deals und mildes Urteil für Lukas Gerber: